Under the Flag – Review – Twilight Magazin

Vielleicht liegt es auch daran, dass sich das Personalkarussell bei NECROMORPH wieder gedreht hat, dass es geschlagene fünf Jahre gedauert hat, bis die Berliner Crust Grinder den Nachfolger zum starken ´Grinding Black Zero´ vorlegen. Das Warten hat sich gelohnt, denn mit ´Under The Flag´ setzt die Band noch einen drauf.

Wechsel gab es aber nicht nur innerhalb der Band. Von F.D.A., in deren Old School Roster die Band nicht wirklich passte, haben NECROMORPH zum kleinen feinen Defying Danger Label gewechselt.

Die Berliner fingen 1995 als Black Metal Band an, seit ich sie kenne, haben sie damit aber nichts mehr zu tun. Die Überschrift ist für mich crustiger Grindcore mit all seinen Facetten. Der Opener haut einem in hohem Tempo gleich rechts und links welche runter. Nur Geballer nutzt sich aber schnell ab. So ist es clever, dass beim folgenden ´Excrements Of The Sun´ das Tempo gedrosselt wird. Der Song ist eine lupenreine Crust-Abrissbirne mit Zug und Groove. Neben diesen beiden Elementen haben NECROMORPH es aber schon immer verstanden, die Genregrenzen maximal auszubeulen, ohne dabei zu weit zu gehen. Weiterhin darf es dann und wann Gitarrrensoli geben, die zum Glück songdienlich kurz gehalten werden und vom Egogewichse manch progressiver Band kilometerweit entfernt sind.

Eher noisige verstörende Parts unterbrechen auch weiterhin (wie bei ´Nogeun-ri´) die meist blastenden Tracks. Im Gegensatz dazu stehen langsamere straighte, zum umgehenden Kopfnicken einladende Grooveparts, die vor Energie strotzen. Durch diese Wechselspiele werden Tracks wie ‚Massendelikt´ oder ´VEI 8´ dynamisch gehalten. Bei ´Handle The Flag´ schleicht sich dann unterschwellig eine fast schon fröhliche Gitarrenmelodie ein, die die folgenden Parts dann wieder aggressiver wirken lässt. Das erinnert mich an Tracks wie ´In Adrenaline´ von WOLFBRIGADE.

Die Vocals von Fritze bleiben auch 2016 facettenreich. Neben dem generell oft zu hörenden Wechselspiel zwischen Schreien und Growlen, gibt es immer wieder Parts, bei denen Effekte auf die Stimmen gelegt werden. Auch dadurch nutzt sich die Scheibe nicht so schnell ab wie bei Bands,  die mit der Stimme immer nur möglichst weit im Keller bleiben.

Textlich gibt es bei Grind Bands ja immer die Frage der drei Ps: Porno, Pathologie oder Politik? Wie nicht anders zu erwarten bleiben NECROMORPH erfreulicher Weise im letzten der genannten Genres ohne dabei stumpfe A.C.A.B.-Klischees abzulassen.

Klassisch ist, dass der etwas andere Song als Abschluss bei NECROMORPH genutzt wird. So wie der Sound der Platte insgesamt etwas fetter geworden ist, so hat man beim Rausschmeißer von der Geige zum voluminöseren Cello aufgestockt. Der eher tragende Track macht es endgültig überflüssig, sich APOCALYTICA zu geben. Ich hätte den Song eher in die Mitte des Albums als Verschnaufpause gepackt und finde generell, dass eine Album dieses Genres mit einem Knall enden sollte. Aber gut, das ist Geschmackssache.

NECROMPRH entwickeln ihren Sound auf ´Under The Flag´ konsequent weiter, ohne dabei den Bogen zu überspannen. Klar fallen bei dieser Art von Musik immer die Namen NASUM und ROTTEN SOUND – NECROMORPH sind eine der wenigen Bands, die diesem Vergleich standhalten. Wer auf gut gespielten, variablen Grindcore mit Herz und Hirn steht und sich diese Platte nicht anschafft, steht eigentlich nicht auf gut gespielten, variablen Grindcore mit Herz und Hirn.

Twilight (Tobias Trillmich)